Mobilfunkanbieter haben im Service ein Image-Problem: Hat man ein Problem, hängt man in einer „Service-Schleife“ fest, wenn man überhaupt Antworten erhält. Probleme schnell zu lösen ist fast unmöglich. Der Kontakt zum Kunden in Form eines Call-Centers hat eh keine Kompetenz, etwas zu entscheiden. N26 scheint dem nachzueifern.
Vermehrt kann man es nachlesen:
- 80.000€ vom Konto verschwunden, wochenlang keine Reaktion (Link)
- Der CFO von Grover, Thomas Antonioli bezichtigt N26 auf LinkedIn des Diebstahls (Link)
- Polizeieinsatz, weil sich ein Kunde nicht mehr anders zu helfen weiß, als vor Ort zu erscheinen (Link)
Die Liste ließe sich beliebig verlängern, wenn man in den sozialen Netzwerken schaut. Oder auch eigener Blogbeitrag aus 2017.
Was bedeutet „Service“ bei N26? Ein eigenes Beispiel: als Geschädigter beim Mastercard-Priceless-Datenschutzproblem hat mich N26 angeschrieben, dass die Karte getauscht werden muss. Ungewöhnlich: ich müsste die neue Karte bestellen, die Kosten würden erstattet. Ich könne mich per E-Mail oder Chat an N26 wenden.
Hürde 1: es gibt keine E-Mail-Adresse! Auf allen Support-Seiten wird nur auf den Chat verwiesen. Lediglich auf der Seite für Kündigungen findet man noch eine E-Mail-Adresse.
Hürde 2: Im Chat hänge ich gut eine halbe Stunde, bis sich jemand meldet. Und dann werde ich rausgeworfen.
Also lasse ich das mit der Karte erst einmal. Ein paar Tage später kommt eine weitere Mail mit dem Hinweis, dass ich die Karte direkt in der App beantragen könne. Die Kosten würden automatisch erstattet. So funktioniert es dann auch. Die Karte kommt ein paar Tage später und lässt sich problemlos aktivieren. Nur die Gebühren sind noch nicht erstattet. Aber es gibt ja den Chat. Diesmal dauert die Wartezeit „nur“ 5 Minuten. Nach der Wartezeit werde ich von der Mitarbeiterin (auf Deutsch) gefragt, wie sie mir helfen kann. Ich formuliere meinen Satz und schicke ihn ab. Zwei Minuten später die automatisierte Nachricht, dass es nach 23.00 Uhr ist und der Support nur auf englisch zu Verfügung steht. Würde ich deutschen Support haben wollen, würde ich mich schon wieder ärgern – warum kann man mir das nicht vor der Wartezeit mitteilen und warum fragt man mich erst auf Deutsch nach meinem Anliegen? Aber ich will weitermachen – geht aber nicht, die Mitarbeiterin Samina beendet den Chat einfach ohne weitere Kontaktmöglichkeit. Wiedereröffnen? Nicht vorgesehen…
Fazit: Eine Bank ohne Service
Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn ich mal ein echtes Problem hätte und N26 nicht nur ein Zweitkonto wäre. Es geht hier eben nicht um einen Mobilfunkvertrag, sondern um echtes Geld – um die Lebensgrundlage.
Keine telefonische Erreichbarkeit, keine zeitnahen Antworten auf E-Mails, ein nicht funktionierender Chat. Und dann im Chat wahrscheinlich niemanden, der mir konkret in einer Notfallsituation helfen kann, sondern nur vertröstet.
Selbst wenn es kein massives Problem ist: was für eine (Entschuldigung: dumme) Idee ist es, dass ein Kunde zum Chat gezwungen wird, wenn dort nicht innerhalb von kürzester Zeit einen Ansprechpartner bekommt. Eine halbe Stunde oder auch nur 5 Minuten auf einen Handybildschirm zu schauen, ob etwas passiert, ist noch schlimmer als eine nervige Warteschleifenmusik. Wenn der Akku so lange überhaupt hält. Und dann noch immer minutenlang auf Antworten zu warten, weil der Mitarbeiter wahrscheinlich x Kunden gleichzeitig bedient. Da kommt Wertschätzung auf.
Irgendwie auch logisch
Schauen wir uns die Zahlen doch einmal an:
- Mehr als 3.5 Millionen Kunden (N26 Pressemitteilung vom 18.07.2019) bzw. mehr als 2.5 Millionen Kunden (Blogeintrag vom 01.04.2019)
- 50.000 Anfragen pro Woche (Blogeintrag vom 01.04.2019)
- 400 eigene und 200 externe Mitarbeiter im Support (Blogeintrag vom 01.04.2019)
50.0000 Anfragen pro Woche bei 600 Mitarbeitern macht über 80 Anfragen je Mitarbeiter und Tag. Nebenbei das Ganze in 5 Sprachen, Urlaube, Krankheiten. Und die Mitarbeiter müssen regelmäßig geschult werden – das ist je Mitarbeiter schon eine wirklich Herausforderung. Wer einmal in einer Bank gearbeitet hat, der weiß, dass sich viele Fragen nicht „mal eben schnell“ beantworten lassen und Zeit benötigen. Alleine diese Zahlen hinterlassen ein schlechtes Bild bei mir.
Wachstum oder Service?
N26 setzt massiv auf Wachstum und verliert dabei offensichtlich den Service aus den Augen. Es zeigt sich, dass auch bei einem hochdigitalisiertem Produkt Service nötig ist. Man muss sich nur die Communities aller Fintechs anschauen. Softwarefehler, fehlende Funktionen und dadurch notwendige manuelle Eingriffe, Verständnisprobleme, Endbenutzer-Hardwareprobleme (die gar nicht durch das FinTech zu verantworten sind), Systemausfälle – alles das bedingt guten Support. Besonders schlimm ist es, wenn eine Bank dies aus dem Auge verliert.
Neben der Bilanzzahlen ist der wesentliche Wert einer Bank durch Vertrauen definiert. Alle Kunden haben ein Grundbedürfnis: ihr Geld nur jemanden zu geben, dem sie Vertrauen. Jemand, der aber für nicht erreichbar ist oder nicht umgehend sich nachweislich eines Problems annimmt, der bekommt das Vertrauen nicht – und hat es langfristig auch verspielt.
Meine Hauptbankverbindung wird N26 definitiv nicht – und mein Konto steht derzeit bei minus 6€ – noch vertraue ich darauf, dass diese Gebühr für die neue Kreditkarte wieder gutgeschrieben wird.