Die derzeitige Entwicklung der sogenannten Digitalisierung lässt inzwischen erahnen, welche Geschäftsmodelle alle in naher oder nicht allzu ferner Zukunft kippen könnten. In diesem und einigen folgenden Beiträgen möchte ich einmal einen Blick über meinen Banken-Tellerrand hinaus werfen und einige für mich bezeichnende Beispiele nennen.
Lebensmittelhandel: Egal man beim Händler, der Lebensmittel liebt oder am “Framstag” besonders günstig einkauft – die Unterschiede sind unterm Strich marginal. Der einzelne Verbraucher hat seine Vorlieben für einen bestimmten Laden – meist basiert es aufgrund lokaler Gegebenheiten. Man möchte für den Einkauf möglichst wenig Zeit aufbringen, aber das Gefühl haben für einen günstigen Preis eine gute Qualität erworben zu haben. Darüber sollte “einmal hin – alles drin” die Devise sein.
Wie könnte sich der Einkauf in den nächsten Jahren verändern? Zunächst einmal wird die sogenannte “kognitive Intelligenz” eine entscheidende Rolle spielen. Denn insbesondere bei Lebensmitteln sind die Menschen doch sehr starke Gewohnheitstiere. Der Kühlschrank oder die intelligente Vorratskammer werden erkennen, wenn etwas fehlt – ja, sie werden sogar wissen, was ich benötige. Die Vernetzung im Heimbereich schreitet extrem schnell voran und wird dann auch geplante Abwesenheiten oder höheren Bedarf z.B. bei Wochenendbeziehungen mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen können.
Somit werden die Systeme über kurz oder lang für uns einkaufen können oder uns einen wesentlichen Teil davon abnehmen. Der Einkauf wird auf Wunsch angeliefert (und später vielleicht sogar automatisch einsortiert) werden.
Spätestens an dieser Stelle wird die durch räumliche Nähe aufgebaute Treue zum Lebensmittelhandel fallen. Es werden Kriterien wie Preis, Komfort der Lieferung oder Qualität eine Rolle spielen – für jeden Kunden nach seinem individuellen Profil. Dem Kunden wird es also in der Zukunft sehr wahrscheinlich vollkommen egal sein, ob die Ware von Rewe, Edeka oder Penny kommt – solange seine individuellen Kriterien erfüllt sind.
Das Prinzip lässt sich heute schon in Ansätzen bei Amazon erkennen. Will man einen Artikel kaufen und ist Prime-Kunde (kostenfreie und schnelle Lieferung bei den meisten Artikeln), wird man an sich selbst feststellen, dass nichts einfacher ist als die Bestellung bei Amazon. Artikel suchen, die individuellen Kriterien der Suche festlegen (Preis, Qualität (=Bewertungen) und kostenfreie Lieferung (=Prime)) und schon wird bestellt – wer möchte, schon seit Jahren mit nur einem Klick. Mißtrauische Zeitgenossen schauen vorher noch mal bei einer Preisvergleichsbörse oder EBay nach um sicherzustellen, dass sie dann doch den nahezu besten Preis bekommen werden.
Und meist ist die Bestellung am nächsten Tag (oder inzwischen am gleichen Tag – bald sicherlich noch schneller) im Haus oder in der Packstation.
Bei welchem Händler tatsächlich die Ware bestellt wurde, ist dem Kunden eigentlich vollkommen egal. Amazon hat hier inzwischen drei Modelle:
- Die Ware wird von Amazon gelagert und verkauft.
- Die Ware wird von Amazon gelagert und die Lieferung abgewickelt, es steht aber ein anderer Händler dahinter.
- Es wird nur der Verkauf vermittelt, die Ware wird von einem anderen Händler verkauft und abgewickelt.
Das dritte Modell ist für den oben genannten Beispielkunden meist nicht relevant, da vorab auf “Prime” gefiltert wird und diese Angebote dadurch nicht angezeigt werden.
Wendet man das Amazon-Modell nun auf den Lebensmittelhandel an, wird klar, warum es für den Endkunden vollkommen unerheblich sein wird, ob ein Amazon (oder wer auch immer) die Bananenbestellung bei Rewe oder Edeka aufgibt. Es stellt sich sogar die Frage, ob der Zwischenhandel über die Lebensmittelketten überhaupt noch benötigt wird.
Nebenbei bemerkt: Amazon liefert bereits Lebensmittel aus – der Service wird in Berlin gerade für Deutschland getestet.
Und inzwischen hat Amazon seinen Supermarkt in Berlin unter dem Namen Amazon fresh gestartet. https://www.amazon.de/Amazon-Emma-Test.
Bestellungen bis 12 Uhr mittags sollen noch am selben Tag zum Abendessen geliefert werden.
Bei einer Bestellung bis 23 Uhr liefert der Kooperationspartner DHL wird am nächsten Tag in einem ausgewählten Zwei-Stunden-Fenster.
Beim schon länger am Markt aktiven Rewe wartet man teilweise mehrere Tage auf einen Liefertermin.
Der Dienst ist zunächst nur für Prime-Kunden gemacht und kostet 9,90€ / Monat zusätzlich. Der Mindestbestellwert liegt bei 40€, darunter fallen Liefergebühren an. Immerhin sollen 85.000 Artikel lieferbar sein. Doppelt so viele wie in einem großen Supermarkt.