Das Fremdwort „Social Media“ in der Bankenlandschaft

Alle Studien zum Thema Social Media in Banken – egal ob von Fraunhofer, Capgemini oder der amerikanischen Webseite „The Financial Brand“ – kommen im Kern zum gleichen Ergebnis: die deutschen Banken sind noch viel zu zurückhaltend. Einige Ausnahmen unter den Banken haben es bereits verstanden, die große Masse hält sich von diesem Thema aber noch fern.

Nun sind Banken sowieso eher als bodenständig bekannt und technologisch nicht unbedingt immer in vorderster Front zu finden. Aber spätestens seit dem relativ späten Einstieg vieler Institute in das Internet sollte man doch dazu gelernt haben. Vor gerade mal 16 Jahren sprachen wir – so eine von der Postbank veröffentlichte Studie von Forrester – davon, dass die europäischen Banken bis 2001 zu 94% Online-Transaktionen anbieten wollten (immerhin 2% wollten das gar nicht – die wird es heute nicht mehr geben oder sie haben sich doch umstimmen lassen).

csimg_pr_grafik0120_europasbankengehenonline2001 sprachen wir aber immerhin schon von 37% der Bevölkerung als Internet-Nutzer (Vergleich 2013: 76,5%; Quelle statista.de).

Spannend dabei: es ging weniger um die Funktion, sondern vielmehr um das Thema Kundenbindung (45%) und modernes Image (25%).

Inzwischen sagt Capgemini, dass die überwiegende Mehrheit aller Bankkunden (89%) weltweit bereits einen Social Media Zugang haben. Ich kenne keine konkreten Zahlen für Deutschland. Aber selbst, wenn sie signifikant geringer sind, bedeutet dies nur eines: die meisten Banken haben wieder einmal einen Trend hoffnungslos verschlafen.

Social Media ist nach meiner Wahrnehmung in den Köpfen der Banker bestenfalls als Marketinginstrument, oft aber nur als „Spielzeug“ im Privaten angesiedelt. Dabei haben sich Soziale Netzwerke längst zum Hauptkommunikationswerkzeug der – vor allem mobilen – Internetnutzer etabliert. Die Menschen kommunizieren über Facebook, Google+ und Co. und nutzen für die direkte Kommunikation Whatsapp und andere Messenger-Dienste. Und das inzwischen nicht mehr nur vom heimischen Computer, sondern viel intensiver vom Smartphone. Somit sollter der Begriff lieber auf „Soziale Netzwerke“ erweitert werden.

Die Ziele „Kundenbindung“ und „modernes Image“ können diese sozialen Netzwerke sicherlich auf jeden Fall erfüllen. Mit ein wenig Phantasie kann sie schon als Basis für einen Teil des Bankgeschäfts sehen. Zumindest wenn man den bisher vorherrschenden Begriff des „Bankings“ mal von den Transkationen und Verträgen auf die dazu nötige Kommunikation erweitert.

Nun mögen sich die Banken mal die Frage stellen, wie sie über diese Kanäle für die Kunden erreichbar sind. Ganz klar: die meisten gar nicht! Logischerweise können sie so auch nicht mit ihren Kunden kommunizieren. Ein Kunde, der unterwegs mit seiner Bank Kontakt aufnehmen möchte, kann dies in der Regel eigentlich nur persönlich, schriftlich, telefonisch oder elektronisch per E-Mail oder Homebanking machen.

Und schon der „altbekannte“ E-Mail-Kanal ist von den wenigsten Instituten vorbildlich umgesetzt. Oft existiert auf der Homepage keine zugängliche E-Mail-Adresse, sondern ein „kundenfreundliches“ Kontaktformular. In der U-Bahn auf dem Smartphone wird dieses Formular aber zum Kontaktkiller. Selbst wenn der Kunden eine E-Mail-Adresse zur Verfügung hat, der Berater wird diese erst bearbeiten (können), wenn das Beratungsgespräch mit einem anderen Kunde vor Ort zu Ende ist. Auf die Antwort kann man also bei E-Mail oft genau so lange warten, wie bei einem Brief. Ach ja, manche schicken sogar lieber einen Brief auf eine E-Mail-Anfrage zurück – aber das will ich jetzt nicht weiter kommentieren.

Was erwartet der Kunde aber heutzutage in der Kommunikation:

  • Echten Multikanal: Damit ist in diesem Fall nicht das klassischerweise verstandene „Multikanal-Banking“ gemeint, sondern die Kommunikations-Infrastruktur, mit dem Kunden über alle Kanäle gleich gut in hoher Qualität in einen Dialog treten zu können. Also eigentlich doch ein Teil des „Bankings“ 😉
  • Schnelle und kompetente Antworten: Der Kunde möchte nicht den kompetenten Gesprächspartner suchen, sondern seine Anfrage einfach „loswerden“. Die Suche des richtigen Ansprechpartners, der schnell eine gute Antwort gibt, darf durchaus der Bank überlassen sein. Textbausteine sind in diesem Fall selbstverständlich auch keine Option.
  • Eiinbindung: Kunden sind heute durchaus bereit, sich aktiv an der Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen zu beteiligen – wenn man sie lässt. Und wenn man entsprechende Kommunikationswege bereitstellt. Das „gute“, alte Beschwerdemanagement hat schon lange ausgedient. Aktiv beteiligte Kunden haben eine deutlich höhere Bindung an das Unternehmen – wenn man sie ernst nimmt.

Der letzte Punkt ist sicherlich der von den Banken bisher am wenigsten betrachtete Aspekt von sozialen Netzwerken. Viele haben vielmehr Angst vor der neuen Offenheit und Transparenz. Gerne wird als Beispiel ein „Shit-Storm“ genannt. Diese Ängste kann man aber alle nehmen, wenn der Nutzung sozialer Netzwerke eine strikte Kulturänderung vorangeht. Dann wird man aus einem Shit-Storm ein positives Ergebnis zu erzielen. Kritik und auch Lob der Kunden werden der wichtigste Indikator für eine Bank, wie sie sich zukünftig weiterentwickeln muss. Wenn eine Bank nicht auf ihre Kunden hört, werden diese sich andere Institute suchen, die offene Ohren für ihre Bedürfnisse haben.

Nochmal betont: die Einführung ist nicht ein Projekt, welches der Einführung einer neuen Homebanking-Version entspricht. Hier wird muss zunächst eine kulturelle Änderung des Unternehmens angestossen werden, die bereit ist, mit den oben genannten Veränderungen in der Kommunikation umzugehen. Ansonsten wird der Einstieg in die sozialen Netzwerke ganz schnell zum Boomerang.

Zunächst sollte klar sein, wie groß die kulturellen Änderungen in der Bank sein werden, welche Auswirkungen dies auf die einzelnen Prozesse hat und wer diese Veränderung im Haus stetig vorantreibt. Wenn man diesen Schritt unterlässt, wird es einem wie Autoherstellern gehen, die bei der beginnenden Globalisierung nach Asien die Kultur anfangs nicht betrachtet hatten: man wird scheitern.