Deutsche Panik: Man will uns unser Bargeld nehmen

 

Panik in Deutschland: Das Bargeld soll verboten werden. Mal abgesehen davon, dass diese Aussage falsch und vollkommen überzogene Panikmache ist, kann man sich eine Welt ohne Bargeld zu einem großen Teil aber durchaus vorstellen. Es liegt aktuell weniger bei den Benutzern als bei den Anbietern, dass es in Deutschland mit dem bargeldlosen Bezahlen nicht wirklich in Schwung kommt. „Rohrkrepierer“ wie die mit großem Trommelwirbel eingeführte Geldkarte tragen nicht gerade zu einer Euphorie bei.

Dabei muss man eigentlich nur wenige Kilometer in Richtung Norden fahren und kann sehen, was in einigen Jahren sicherlich auch bei uns der Standard sein wird: fast ausschließliches Bezahlen mit der Karte. Die Schweden zeigen uns, wie es funktioniert, wenn die Bezahlung mit Bargeld eher die Ausnahme ist. Ob es der Snack am Imbiss ist, der Kaffee unterwegs oder sogar das Obdachlosenmagazin in Stockholm – alles wird per Karte beglichen. Selbst Kollekten in Kirchen können mit Plastik zweckgebunden abgebucht werden – mit der Erfahrung, dass sich die Höhe der Spende im Schnitt nach oben bewegt hat. Selbst die Banken wollen nicht mehr unbedingt Bargeld: die Hälfte der schwedischen Bankfilialen agieren bargeldlos.

Die Schweden machen dies alles ohne entsprechende Verbote. Sicherlich sind die weiten Entfernungen und eine technikoffene Einstellung beste Voraussetzungen für den freiwilligen Verzicht auf Bargeld – ist der durchschnittliche Schwede doch rund 20 km vom nächsten Geldautomaten entfernt. Doch auch in den Ballungsgebieten stellt man als Besucher schnell fest, wie einfach und selbstverständlich die Karte hingehalten wird – und wenn man hinten in der Schlange an der Kasse steht, weiß man das durchaus zu schätzen. Bei Kleinbeträgen entfällt auch PIN und Unterschrift.

Es ist nicht die Frage, ob dies auch nach Deutschland kommt. Inzwischen stellt sich auch nicht mehr wirklich die Frage, wann dies kommt. Offen ist eigentlich nur noch, wer dies voran treibt. Die deutschen Banken, eigentlich vom Geschäftsmodell prädestiniert, werden aus jetziger Perspektive erst einmal wieder neben der Sandkiste stehen und den anderen beim Spielen zuschauen – PayDirekt lässt grüßen. Die Kreditkartenanbieter und vor allem die Inhaber der Betriebssysteme für Mobilgeräte wie Apple, Google und theoretisch auch Microsoft stehen aktuell an der Startlinie in der ersten Reihe.

Meine Prognose: sowie der Handel dem Kunden einfache Zahlmethoden zur Verfügung stellt, werden die Kunden diese auch nutzen. Ob diese Methoden von einer Bank oder einem Handyhersteller kommen, wird dem Händler egal sein – solange die Methode nach aktuellem Standard als sicher gilt, für den Kunden einfach ist und die abzuführende Marge bezahlbar ist.

Die Geldkarte war da eigentlich schon auf dem richtigen Weg und hätte sich schon längst in den vielen Jahren seit der Einführung zu einem Standard weiterentwickeln können. Leider hat man wesentlich Punkte bei der Einführung falsch gemacht und auch bis heute nicht behoben:

  • Akzeptanzstellen, Akzeptanzstellen und nochmals Akzeptanzstellen: Was am Anfang noch euphorisch funktionierte, schlief immer mehr ein. Was für den Makler die Lage ist, ist für ein Bezahlsystem der Point-Of-Sale. Dies lässt sich gerade wieder bei PayDirekt beobachten. Ein Großteil des Budgets sollte nicht für die Entwicklung eingeplant werden, sondern für die Entwicklung der Zahlstellen. Das reicht von der technischen Unterstützung über die Kostenstruktur bis hin zur Schulung des Kassenpersonals. Der Händler muss seine Kunden zur Bezahlung animieren, weil er Vorteile hat – diese muss der Anbieter schaffen.
  • Akzeptanz beim Kunden: Das System muss so einfach sein, dass quasi keine Einstiegshürde besteht und es jeder unbedarfte Kunde versteht. Das vorherige Laden der Karte ist ein k.o.-Kriterium für die Nutzung. Auch wenn der Vorgang noch so einfach ist – der Kunde wird ein neues Zahlungsverfahren erst einmal spontan ausprobieren. Einen vorab zu definierenden Betrag aufzuladen nimmt jede Spontanität. Und dauerhaft macht es auch keinen Spaß darauf zu achten, dass genug Guthaben vorhanden ist.
  • Mobilität: vollkommen verschlafen hat man den Mobiltrend. Auch wenn die Karte inzwischen kontaktlos funktioniert und girogo heisst – mobil ist das noch lange nicht. Heutzutage müsste die Karte nur noch als zweite Option neben einer parallel nutzbaren App existieren (oder vice versa)
  • Internationalität: Ein auf ein Land beschränktes Bezahlsystem wird es auf Dauer schwer haben. Sowohl Besucher können es nur schwer bis gar nicht nutzen (und wollen es auch gar nicht). Auch der deutsche Anwender des Bezahlverfahrens muss sich im Ausland vollkommen neu orientieren. Beim Mobilfunk möchte sich niemand vorstellen, auf die Roamingfunktion zu verzichten – eine vollkommen einfache Möglichkeit, sein Handy im Ausland ohne Hürde (außer ggf. dem Preis) zu nutzen.

Mein Fazit: Bezahlen ohne Bargeld wird auch bei uns zum Standard werden – wenn die technischen Möglichkeiten geschaffen sind. Ob die Banken dort eine Rolle spielen werden, darf bezweifelt werden. Ein mächtiger Schritt wäre es, die EC-Karte aufzurüsten (einfache und schnelle Nutzung bei Kleinbeträgen, mobiles Wallet auf dem Handy mit Bezahl- und Überweisungsfunktion, Erweiterung um Auslandsfunktionalität, Zusammenführung mit dem Konzept PayDirekt) und jeder kleinen Akzeptanzstelle die Annahme der Karte so einfach und günstig wie Bargeld zu machen. Die Technik gibt es schon lange her – nur in den Köpfen sind die Einschränkungen.

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