Der Jo-Jo-Effekt bei der neuen Unternehmenskultur

Viele Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass sie neue Modelle der Zusammenarbeit benötigen. Doch nur wenigen gelingt es wirklich, dauerhaft eine entsprechende Unternehmenskultur zu etablieren. Warum ist es so schwer?

Die Frage ist zunächst relativ einfach und plakativ zu beantworten: die Führung muss es wollen, aktiv umsetzen und somit sich selbst radikal verändern. Sich zu verändern fällt aber Menschen grundsätzlich schwer – nicht nur im Privaten, sondern genauso im Firmenumfeld.

Wo stehen wir?

In vielen Unternehmen ist die Arbeitswelt nach wie vor durch Arbeitsteilung und stetiger Prozessoptimierung  geprägt. Dies wurde über Jahrzehnte optimiert und prägt das Führungsverhalten mit Mitteln wie Zielvereinbarungssystemen, Reportings, Prozessdokumentationen etc..

So lange die Fragestellungen in einem Unternehmen standardisierbar und die erwarteten Ergebnisse grundsätzlich gleich sind, dann kann so eine Vorgehensweise gut funktionieren. In vielen Prozessen ist es sogar notwendig, wenn es sich beispielsweise um sicherheitsrelevante Themen handelt.

In der zunehmenden Komplexität der Systeme und den sich ständig verändernden Rahmenbedingungen (des Marktes) hilft eine Standardisierung aber nicht mehr weiter. Die Aufgabenstellungen sind deutlich komplexer und lassen sich nicht durch einfache Prozessvorgaben abbilden. Die Probleme lassen sich durch Kreativität, Erfahrung und Können lösen.

Die Herausforderung ist es somit, eine Kultur zu schaffen, die eine entsprechende Kreativität zulässt. Die traditionelle Führung setzt aber noch auf die Prinzipien der Zielvorgabe, Steuerung und Kontrolle. Es ist also eine vollkommene Veränderung des Führungsverständnisses nötig. Selbstverständlich beginnt dies zunächst bei der Unternehmensführung.

Was bedeutet dies konkret?

  • Es wird in Form von Vorschlägen und Ratschlägen geführt, nicht aber mit Anweisungen. Die Vorschläge können auch ohne disziplinarisch negative Auswirkungen abgelehnt werden.
  • Die Verantwortung für Vorgehensweisen und Ergebnisse liegt bei den Teams und nicht mehr bei der Führungskraft.
  • Die Führungskraft schafft einen Rahmen, in dem die täglichen Probleme im Team gelöst werden können und wo sich das Team stetig weiterentwickeln und die Zusammenarbeit optimieren kann.
  • Führung bedeutet, dass eine Mitarbeitergruppe bereit ist, zu folgen. Sie wird nicht mehr hierarchisch “verliehen”, sondern von den Geführten zugesprochen. Führung hat nichts mehr mit einer formellen Machtposition zu tun. Führungsverantwortung kann auch zwischen Teammitgliedern wechseln.

Das Fazit

Neue Modelle der Zusammenarbeit benötigen ein vollkommen neues Führungsverständnis. Eine Veränderung kann nur von der Unternehmensführung angestoßen werden. Dazu muss zum einen Bereitschaft existieren, zum zweiten aber auch ein Durchhaltevermögen.

Wir kennen dies alle von einer Diät. Ein guter Vorsatz existiert, die Veränderung wird über einen gewissen Zeitraum durchgehalten, ein Ergebnis ist sichtbar und nach kurzer Zeit hat man wieder das ursprüngliche Gewicht. Jo-Jo-Effekt nennt man das. Viel zielführender ist es, zwei entscheidende Veränderung in kleinen Schritten dauerhaft vorzunehmen – weniger essen und mehr bewegen.

Bei einer Kulturveränderung ist es genau das Gleiche. Am Anfang steht die Veränderungsbereitschaft mit dem Wissen, was dies bedeutet. Dann in kleinen und stetigen Schritten, die nicht so stark wehtun, sich langsam verändern. Nur dann haben die Führungskräfte auch eine Chance, Veränderungen aktiv zu begleiten und neue Zusammenarbeitsmodelle zu etablieren.

 

 

Teilen von Wissen

Das Unternehmen muss sich darauf ausrichten, dass eine im Sinne der Kultur positive Verhaltensweise belohnt wird. Was bedeutet dies konkret?

In den allermeisten Unternehmenssystemen ist das Teilen von Wissen eigentlich erwünscht, wird aber durch Strukturen und Prozesse massiv verhindert. Der Mitarbeiter arbeitet seine vorgedachten Prozesse ab und behält intuitiv möglichst Wissen für sich – weil er damit sein Fortkommen im Unternehmen sichert.

Denn in den meisten Unternehmen wird die nächst höhere (und damit bessere Stelle) nach Zugehörigkeit und Kompetenz vergeben. Je nach Kultur sind bei der Kompetenz die soziale und die fachliche unterschiedlich gewichtet. Auf jeden Fall ist die fachliche Kompetenz mit Wissen gleich gesetzt. Also bedeutet dies, dass mehr fachliche Kompetenz gleichzusetzen ist mit mehr Wissen. Der Mitarbeiter muss also dafür sorgen, dass er mehr weiß als seine Kollegen. Logischerweise werden die meisten also ihr Wissen horten.

Ist dies nun im Interesse eines Unternehmens? Nein, das Interesse müsste daran liegen, dass möglichst viele Mitarbeiter das Wissen haben und auf dieser Basis die Prozesse des Unternehmens und damit seinen Output und Wert optimieren.

Also muss gerade das Teilen von Wissen zur Belohnung führen. Nicht der Besitz von fachlicher Kompetenz (=Fachwissen), sondern die Teilung von Wissen muss zur Belohnung führen. Denn wer Wissen teilt, besitzt zwangsweise auch eine fachliche Kompetenz auf dem Gebiet. Er zeigt damit aber auch, dass er eine soziale Kompetenz besitzt und im Sinne des Unternehmens handelt. Ist das nicht auch die viel bessere Führungskraft?